Ab heute sind wir unter der Domain wegdergeschichte.de erreichbar. Im Hintergrund ist die Seite auch umgezogen.

Der neue Name ist deutlich besser zu merken und einfacher zum weitersagen.

 

 

 

 

 

 

 

Unser „Weg der Geschichte“ soll nur ein Anfang sein. Wir sind uns sicher, dass es noch viele Erlebnisse gibt, über die es wert ist zu berichten und die der Nachwelt erhalten bleiben sollen.

Wir würden uns freuen, wenn noch viele Geschichten dazukommen, die wir hier sammeln können. Dazu kann man uns persönlich ansprechen oder über das Kontaktformular kontaktieren. Auf Wunsch veröffentlichen wir Beiträge auch anonym.

Im Rahmen des Kreuzerhöhungsgottesdienstes auf der Kapelle weihte Kaplan Kruse am 14. September 2014 die dortige Tafel stellvertretend für den ganzen Weg ein. Die Einweihung und das Jubiläum (10 Jahre Kolpingjungend und 20 Jahre Kolpingsfamilie Kirchgandern) wurden anschließend bei bestem Wetter gefeiert.

Nun kann der Weg besucht werden – zumindest sechs der acht Tafeln.

Wir freuen uns über viele Besucher und gerne über Rückmeldungen oder weitere Geschichten.

Einweihung04

 

„Sie merken an meiner Stimme, wie angstbehaftet das heute noch für mich ist.“tafel_8In den Jahren kurz vor der Wende wollte ich mit meinen Freunden einen Ausflug von Duderstadt aus in den Osten in den Harz machen. Wir beantragten unser Visum sechs Wochen vorher und bekamen die Erlaubnis, uns bis Mitternacht in der DDR aufzuhalten. Als wir mit unserem VW Käfer auf einem Parkplatz im Harz angekommen waren, kam ein Mann zu uns. Er hatte unser West-Kennzeichen bemerkt und fragte uns nach Ersatzteilen für seinen eigenen VW Käfer. Wir konnten nur „Nein“ sagen, denn eine Übergabe der Teile war zu diesen Zeiten einfach unmöglich.

Gegen Abend fuhren wir wieder zum Grenzübergang. Dort starrten uns die Grenzer minutenlang an und kontrollierten immer wieder unsere Ausweise. Auf die Frage eines Beamten hin, mit wem wir auf dem Parkplatz gesprochen hätten, bekamen wir Angst und antworteten, dass wir auf Ersatzteile angesprochen wurden. Daraufhin wurden wir getrennt und jeder von uns in einen anderen Raum gesetzt. Niemand sprach mit mir, ich wurde nur angestarrt. Wir konnten sehen, wie draußen unser komplettes Auto auseinander genommen wurde. Sogar der Tank wurde durchsucht! Ich hatte Angst, dass man uns bis nach Mitternacht festhalten würde und uns nicht mehr aus der DDR herauslässt. Aber nach langem Warten wurde unser Auto wieder zusammengebaut und ein Grenzer sagte zu uns:
„Wir wissen genau, was auf dem Parkplatz passiert ist. Sie können uns nicht hinters Licht führen.“

Heute ist mir bewusst, was für ein großes Glück wir hatten, als sie uns wieder gehen ließen. Das war unser letzter Ausflug in die DDR.

Silvia Hesse, Duderstadt


…nachgefragt:

Was war Ihr größter Wunsch während der Zeit des geteilten Deutschlands?
Mein größter Wunsch war immer, dass die Grenze weg ist.

Haben Sie positive Erinnerungen an die DDR- Zeit?
Ich habe keine positiven Erinnerungen an die DDR- Zeit.

Als die Mauer fiel, dachte ich …
Ich muss dahin! Ich will das sehen!

„Endlich ist es soweit!“tafel_7Das Rittergut Besenhausen liegt, wie das Dorf Kirchgandern, an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Bis 1945 noch eine Einheit bildend, lag Kirchgandern während der Zeit der Teilung auf der Ostseite und Besenhausen auf der Westseite. Seit über 700 Jahren sind das Gut und die umliegenden Felder im Besitz der Familie Hanstein und ihrer Nachkommen. 1945, als Deutschland von den Besatzungsmächten in zwei Hälften geteilt wurde, traf die Familie ein schweres Schicksal: die Grenze lief genau zwischen Gut und Landbesitz hindurch.

Das Gut gehörte zunächst zu Ost-, die Ländereien zu Westdeutschland. Die Familie flüchtete in einen anderen Ort und im Gutshaus lebten nun die russischen Besatzer. Dem damaligen Gutsbesitzer, Baron v. Wintzingerode, gelang es in Verhandlungen, den russisch besetzten Teil durch eine Grenzverschiebung auf den westlichen Teil zu bekommen. Somit konnte die radikale Teilung des Hofes rückgängig gemacht und die Zerstörung des Gebäudes im Todesstreifen verhindert werden. Als Gegenleistung durften die russischen Besatzer den Viehbestand, die Vorräte in Haus und Hof und anderes drei Tage lang plündern. Dann übernahm die englische Besatzung und die Familie konnte zurückkehren und den Wiederaufbau beginnen.

Das Gut musste mühsam wieder eingerichtet werden, da es komplett leergeräumt war. In den Jahren von 1945 bis 1952 wurde Besenhausen zu einem der „Tore zur Freiheit“. Über 2 Millionen Flüchtlinge aus Ost- und Mitteldeutschland überquerten hier die Grenze, zunächst auf ihrem Weg in das nahe liegende Grenzdurchgangslager Friedland.

Auch nach dem Zaunbau und Schließen der Grenze, gelang Einzelnen die Flucht aus der DDR, wie Frau v. Klitzing, die auf dem elterlichen Gut aufwuchs, berichtet: „Die Leute kletterten vor allem nachts über den Stacheldrahtzaun und kamen dann mit blutigen Händen auf unserem Hof an. Oder sie schwammen durch die Leine und wir versorgten sie dann erst einmal mit trockener Kleidung. Die Flüchtlinge wurden erst weniger, als der Stacheldrahtzaun durch einen Stromzaun ersetzt wurde.“

44 Jahre waren Kirchgandern und Besenhausen getrennt. Man blickte nur auf Zäune, Minenstreifen und Militärfahrzeuge. So war die Grenzöffnung zunächst etwas unheimlich. Aber die Freude, alte Schul- und Spielgefährten wiederzusehen, überwog.


…nachgefragt:

Was war Ihr größter Wunsch während der Zeit des geteilten Deutschlands?
Ich wusste, dass dieser unnatürliche Zustand nicht ewig bleiben konnte. Irgendwann
musste der Zaun verschwinden, die Mauer fallen. Das war mein größter Wunsch.

Haben Sie positive Erinnerungen an die DDR-Zeit?
Das Gut lag wie im Dornröschenschlaf. Die Straße war hier zu Ende und wir fühlten
uns durch die Grenzschutzbeamten gut behütet. Aber es war eine leblose Ruhe.
Kirchgandern und die Burg Hanstein waren unerreichbar. Nein, es gibt keine positive
Erinnerung an die DDR-Zeit.

Als die Mauer fiel dachte ich…….
Endlich ist es soweit!

Detlev Flechtner, Besenhausen

„Wo man herkommt, da ist man zu Hause“

Geschichte der Flucht einer ganzen Familie

tafel_6

Als ich meinen Mann 1960 kennenlernte, lebten wir in Kirchgandern bereits im Ausnahmezustand. Seit 1956 galten für alle Gebiete an der innerdeutschen Grenze verschärfte Anordnungen. Bereits in diesem Jahr galt die Republikflucht als Straftat, was bedeutete, dass auf Flüchtlinge ohne Vorwarnung geschossen werden durfte. Meine Familie versuchte dennoch einmal gemeinsam die Heimat in Kirchgandern zu verlassen. Da wir aber als auffällig große Gruppe von den Grenzsoldaten entdeckt worden wären und die Gefahr einer Verhaftung aller Familienmitglieder bestand, wagte schließlich nur ein Teil meiner Geschwister den Schritt durch den Wald über die Grenze. Nicht zuletzt wollte ich meinen Freund in Erfurt natürlich nicht im Stich lassen oder in den Wirren dieser Jahre verlieren.

Die Gerüchte um den Mauerbau verstärkten sich immer mehr, so dass wir den Entschluss fassten über Berlin zu fliehen. Am 4. Juli 1961 setzten wir unseren Plan in die Tat um und reisten mit dem Zug nach Berlin. Angekommen an einer der ersten Stationen in Westberlin verließen wir die U-Bahn. Nach einem zweiwöchigen Aufenthalt in Berlin wurden wir schließlich mit zahlreichen anderen Flüchtlingen ausgeflogen. Hier trennten sich zunächst unsere Wege.

Mein Mann kam in das Flüchtlingsauffanglager nach Friedland, dass hauptsächlich von Männern bewohnt wurde. Für die Frauen war das Lager in Uelzen vorgesehen.

Wir hatten das Glück, nach einiger Zeit gemeinsam bei Verwandten in Hildesheim unterzukommen und hier schnell eine Arbeit zu finden, um allmählich auf eigenen Füßen stehen zu können. In der Zwischenzeit war auch meinen Eltern als letzte Familienmitglieder noch im November 1961 die Flucht gelungen. Diese hatten von einem aufmerksamen Kirchgänder erfahren, dass in Arenshausen bereits LKWs für die verdeckte Maßnahme „Kornblume“ bereit standen, um am nächsten Tag einige Familien aus Kirchgandern zu einer Aussiedlung zu zwingen. Nach einiger Zeit konnten schließlich alle Mitglieder meiner Familie wieder zusammentreffen und wir siedelten uns im Göttinger Raum an. Unser Heimatdorf von der „anderen Seite“ sehen zu können, war nicht immer einfach.

Beate Hanstein, Göttingen
August Wiesemüller, Angerstein


…nachgefragt:

Was war Ihr größter Wunsch während der Zeit des geteilten Deutschlands?
Vor unserer Flucht habe ich mir oft gewünscht einfach mal nach „drüben“ gehen zu können!

Haben Sie positive Erinnerungen an die DDR Zeit?
Wo man herkommt, da ist man zu Hause! Wir haben eine glückliche Kindheit in
Kirchgandern verbracht. Ich erinnere mich gern daran, wie wir mit allen Kindern des Dorfes
die tollsten und abenteuerlichsten Spiele gespielt haben.

Als die Mauer fiel, dachte ich …
Das ist das Beste, was jemals passieren konnte! Ich hörte mitten in der Nacht
ungewöhnlichen Lärm. Beim Blick auf die Göttinger Straßen sah ich ÜBERALL Trabbis! Das
war einfach nur eine riesige Freude!!! Bei der Kirmes in Kirchgandern feierten BGS-
Soldaten aus dem Westen gemeinsam mit DDR-Grenzern und wir hatten alle Tränen in den
Augen.

„Wohin werden wir gebracht?“

Eine zwangsevakuierte Familie zwischen Verzweiflung und Bangentafel_5Ich war 14 Jahre alt und konnte mir nicht vorstellen, meine Heimat zu verlassen und alles hinter mir zu lassen. Doch am 3. Oktober 1961 sollte genau das passieren. Gegen 6.30 Uhr weckte mich der Schrei meiner Oma. Ich dachte, einem meiner jüngeren Geschwister sei etwas passiert. Noch im Nachthemd stieß ich auf meinem Weg nach unten auf einen Volkspolizisten, der mich aufforderte, mich anzuziehen und nach unten in die Küche zu kommen. In der Zwischenzeit wurde mein Vater beim Arbeiten auf dem Feld abgefangen und nach Hause gebracht. Meine Mutter und Oma waren völlig aufgelöst.

Als die ganze Familie in der Küche versammelt war, verlas ein junger Leutnant ein Schreiben: „Im Zuge der Grenzsicherung werden Sie umgesiedelt…“. Meine Familie wurde damit Teil einer verdeckten Maßnahme, die später unter dem Namen „Kornblume“ bekannt wurde. Schon 1952 erlitten dieses Schicksal meine Großeltern in Siemerode, die dem Umsiedlungsvorhaben „Ungeziefer“ zum Opfer gefallen waren. Hauptsächlich mein Vater behielt in dieser Situation die Nerven und fragte, wohin wir denn sollen. Darauf wurde ihm jedoch vorerst keine Antwort gegeben. Danach ging alles sehr schnell. LKWs fuhren vor.

Wir hatten vier Stunden Zeit, um das, was wir mitnehmen wollten, aufzuladen. Die Kampftruppen, die als Verstärkung der Volksarmee z.B. bei inneren Unruhen eingesetzt wurden, verteilten sich im ganzen Haus und packten unser Hab und Gut auf den LKW. Nach Ablauf der Zeit mussten wir uns zu unserem „Gepäck“ auf die Ladefläche setzen und die Fahrzeugplanen wurden geschlossen. Mein Vater äußerte den Wunsch, wenigstens eine Plane offen zu lassen, um einen letzten Blick auf unsere Heimat werfen zu können. Alle hatten das Gefühl, sich doch noch verabschieden zu müssen.

Dieser Wunsch wurde jedoch nicht gestattet. Mit uns wurden zwei weitere Familien aus Kirchgandern und einige weitere aus dem gesamten Eichsfeld umgesiedelt. Nach einiger Zeit hielt der Wagen und die Fahrzeuge aus den verschiedenen Orten wurden zu Konvois zusammengestellt. Hier erfuhren wir zum ersten Mal, dass wir nun in den Landkreis Arnstadt fuhren. Nach einigen Fahrtunterbrechungen erreichten wir gegen Mitternacht Achelstädt bei Kranichfeld. Im Haus eines Geschwisterpaares wurden uns drei Zimmer zugeteilt. Die Soldaten der Kampftruppe stellten unsere Betten auf, alle anderen Möbel wurden in einer Scheune untergestellt. Am nächsten Morgen erwartete meine Eltern der ortsansässige LPG-Vorsitzende, um sie für die Arbeit einzuteilen. Er erklärte, dass wir ein Haus bekämen, das jedoch noch nicht fertig sei. Meine Eltern hatten nicht vor, der LPG beizutreten. Dennoch wurde er an diesem Tag für die Arbeit im Stall und meine Mutter in die Feldbaubrigade eingeteilt.

In meiner neuen Schule ließen mich meine neuen Mitschüler und Lehrer deutlich spüren, dass ihnen unser plötzliches Erscheinen hier sehr suspekt war und wir sicher etwas auf dem Kerbholz haben mussten. Als Katholiken wurden wir zusätzlich als äußerst exotisch betrachtet. Auch mein im Eichsfeld versprochener EOS-Platz wurde mir, wie alle bisherigen Entscheidungen, unbegründet verwehrt. Besonders schwer fiel es meinem Vater im nächsten Frühjahr, nicht wie sein ganzes bisheriges Leben zuvor, die Felder zu bestellen.

Nach Zeiten furchtbarer Wohnzustände borgte sich mein Vater schließlich Geld, um ein kleines Haus in Plaue zu kaufen. Nun konnten wir uns allmählich in unsere fremdbestimmte Heimat integrieren. Er trat in den Männerchor ein und leitete die Jugendkommission des Ortes. Nach meinem Schulabschluss erlernte ich nun zunächst den Beruf der Kinderkrankenschwester und holte das Abitur später nach. In all den Jahren verloren meine Eltern nie ihren Humor, wofür ich sie sehr bewunderte.

Selbstverständlich waren meine Eltern über die Wende sehr glücklich und der Entschluss, unser Haus in Kirchgandern zurückzugewinnen, stand schnell fest. Allerdings hatten die zwangsevakuierten Familien der DDR im Gegenteil zu den geflüchteten Familien zunächst keinerlei Ansprüche. Die Unrechtsbereinigungsgesetze und der unermüdliche Einsatz vieler Zwangsevakuierter führten dazu, dass uns 1997 unser früherer Besitz rechtmäßig zugesprochen wurde. Leider konnte mein Vater diese glückliche Wendung nicht mehr miterleben.


…nachgefragt:

Was war Ihr größter Wunsch während der Zeit des geteilten Deutschlands?
Dass die DDR-Bürger mit ihren Biographien im vereinten Deutschland nicht untergehen und ihr
neu gewonnenes Selbstgefühl nicht verlieren würden.

Haben Sie positive Erinnerungen an die DDR Zeit?
Positiv war für mich die Förderung von Kindern aus sozial geschwächter Herkunft, die nicht im
Zusammenhang mit ideologischem Denken stand.

Als die Mauer fiel, dachte ich …
Natürlich überwog im ersten Moment die Freude über die Freiheitsgefühle und die Möglichkeit
der Bewegung ohne Angst. Dennoch wagte man die ersten Schritte in den Westen mit einer
gewissen Vorsicht. Schließlich war ich erschrocken, als mir zum ersten Mal das Ausmaß des
Mauerkonstrukts bewusst wurde.

„Sprachlos und die Hände zu Fäusten geballt.“tafel_4„… im Jahre 1972 war ich das letzte Mal vor der Wende dort oben. Der Zustand der Kapelle war trostlos, nur das Holztor mit der Vorderfassade stand noch. Oberhalb des Tores war noch der Spruch zu lesen: „Und Gott hat alles wohl gemacht.“ Zum Beten war mir aber an diesem Tag nicht zumute. Die Kapelle und der Kreuzweg blieben bis zur Wende im Jahre 1989 eingesperrt und unerreichbar. Kurz nach der Wende im Dezember 1989 beschlossen wir an unserem Kreuzweg und der Kapelle nach dem Rechten zu sehen. Die Grenzzäune mit dem Stacheldraht, der Minengürtel und die Signalzaunanlage standen und funktionierten noch. Wie sollten wir da hin kommen? Sicherheitshalber meldeten wir uns bei der Grenzkompanie an. Dennoch war uns nicht klar, was uns erwarten würde. Mit viel Mut aber auch Angst setzten wir den Zaun außer Funktion. Etwa 100m weiter hielten uns bewaffnete Offiziere auf und verlangten unsere Ausweise. Nur gut, dass wir angemeldet waren! Keine 20 Minuten später standen wir vor den Trümmern der Kapelle, sprachlos und die Hände zu Fäusten geballt. Von den vierzehn Stationen des Kreuzweges waren nur zwei in einigermaßen erkennbarem Zustand übrig geblieben, der Rest war zerstört. Im Sonntagsgottesdienst erfuhr die Gemeinde von Pfarrer Fuhlrott die Situation. Alle waren damit einverstanden, alles zu tun, um die Kapelle und den Kreuzweg wieder instandzusetzen. Bis zum Frühjahr 1991 wurde alles wieder aufgebaut und zum 22.07.1991 hat Weihbischof Koch die Kapelle zum Magdalenentag eingeweiht…“

Arno Waldmann, Kirchgandern


…nachgefragt:

Was war Ihr größter Wunsch während der Zeit des geteilten Deutschlands?
Mein sehnlichster Wunsch war die Grenzöffnung und nichts Anderes.

Haben Sie positive Erinnerungen an die DDR- Zeit?
Leider nicht sehr viele…

Als die Mauer fiel, dachte ich …
Gott sei Dank!

„Eine Flucht kam für mich nicht in Frage“

Erinnerungen eines Grenzsoldaten (1969 bis 1971)tafel_3Agraringenieur zu werden – das war mein großes Ziel! Um dieses Ziel zu erreichen, blieb mir, wie so vielen anderen jungen Männern meiner Generation, nichts anderes übrig, als der Volksarmee zu dienen. Aus meiner Heimat Gotha heraus wurde ich 1969 ins Eichsfeld nach Mengelrode in die Ausbildungskaserne geschickt. Hier wurde ich nun für ein halbes Jahr als Unteroffizier ausgebildet. Im Mai 1970 versetzte man mich in die Grenzkompanie nach Freienhagen, in der ich anderthalb Jahre meinen Dienst als Gruppenführer leistete.

Die Grenzanlagen bestanden in dieser Zeit aus zwei einfachen ca. 2m hohen Stacheldrahtzäunen, die durch ein Minenfeld voneinander getrennt waren. Auf dem Gebiet der DDR befand sich der 6m breite Kontrollstreifen. In etwa 100m Entfernung hinderte ein Signalzaun, der bei Berührung einen Alarm auslöste, Unbefugte am Betreten der Grenzanlage. Die Arbeit im Grenzdienst wurde im Schichtdienst abgeleistet. Zu den Aufgaben am Grenzstreifen gehörten die Beobachtung der Grenzanlage vom Wachturm aus und das Ablaufen des Kontrollstreifens. Dieser führte zuletzt von Siemerode bis Rohrberg. Das bedeutete, dass diese Strecke von ca. 1 5 km täglich morgens und abends auf Fußspuren überprüft werden musste.

Um die Spuren schnell erkennen zu können, musste der Kontrollstreifen permanent sauber und frei von Unkraut gehalten, sowie anhaltend fein geeggt werden. Bei der Entdeckung von  Fußspuren oder anderen Auffälligkeiten im Kontrollstreifen wurde eine sofortige Meldung abgesetzt und eine Alarmgruppe von sechs bis acht Personen angefordert, die die komplette Anlage auf weitere Anzeichen für eine mögliche Flucht absuchte. Außerdem wurde die Postenführung verstärkt. Glücklicherweise musste ich einen gelungenen Grenzdurchbruch nie miterleben und wurde dadurch nicht zum Gebrauch der Waffe gezwungen. Für mein letztes Dienstjahr wurde ich schließlich noch einmal nach Weißenfels in Sachsen-Anhalt versetzt. Diese Versetzung wurde mir nie begründet.


…nachgefragt:

Was war Ihr größter Wunsch während der Zeit des geteilten Deutschlands?
Eine Flucht kam für mich nicht in Frage. Wichtig war für mich
vor allem unter den gegebenen Umständen ein zufriedenes
Leben zu führen und eine Familie zu gründen.

Haben Sie positive Erinnerungen an die DDR-Zeit?
JA! Ich habe meine Frau kennen und lieben gelernt.

Als die Mauer fiel, dachte ich …
Endlich sind wir frei!

„Alles, was sich bewegte, wurde kontrolliert.“tafel_2„… es muss im Jahr 1975 gewesen sein, als ich eines Tages in den Wald gegangen bin, um ein paar Vögel zu beobachten. Als Naturfreund bin ich oft an diese Stelle in der Nähe der 5. Station des Kreuzweges gekommen und auch die Grenze mit all ihren gefährlichen Anlagen und Soldaten gehörten zur Normalität. An besagtem Tag beobachtete ich durch mein Fernglas ein paar seltene Vögel. Es war eine besondere Meisenart, die für unsere Region untypisch ist. Ich verfolgte die Meisen eine Weile ohne zu bemerken, dass ein Grenzturm in westlicher Richtung ebenfalls in meinem Visier lag. Es hat nicht lange gedauert, da hörte ich schon den LO (Mannschaftstransportwagen der Grenzer) in Hohengandern aufheulen. Mir war sofort klar dass ich Ziel der Alarmtruppen war. Ich habe mich nicht weiter daran gestört und bin weitergegangen. An einer Böschung an der B80, wo ich mich aufhalten durfte, ließ ich mich nieder und beobachtete das Geschehen. Nach zwei Stunden sind zwei Grenzsoldaten gekommen und haben mich höflich nach meinem Ausweis gefragt. Den hatte ich natürlich dabei und zeigte ihnen diesen auch. Mehr als Dankeschön konnten die beiden auch nicht mehr sagen.
Dies verdeutlichte mir, wie sehr zu dieser Zeit Kleinigkeiten in die Waagschale geworfen wurden.
Alles, was sich bewegte, wurde kontrolliert…“

Raimund Arand, Kirchgandern


… nachgefragt:

Was war Ihr größter Wunsch während der Zeit des geteilten Deutschlands?
Einen richtig großen Wunsch hatte ich eigentlich gar nicht. Ich wollte auch nicht in den Westen
flüchten, denn meine ganzen Freunde waren hier in der DDR. Die Neugier aber, wie es „da drüben“
so ist, die gab es immer.

Haben Sie positive Erinnerungen an die DDR-Zeit?
Der Zusammenhalt der Menschen untereinander war besser als heute. Das war einfach eine
andere Gemeinschaft als heutzutage: Jeder half dem anderen und Geld war gar nicht so wichtig.

Als die Mauer fiel, dachte ich…
„Das kann ich gar nicht glauben!“ Ich dachte, dass man jetzt ganz offiziell über die Grenzübergänge
abhauen kann, aber das Deutschland geteilt bleibt.